Ja, wir alle stehen fast das ganze Jahr lang unter Druck ausgenommen im Urlaub oder während der Feiertage. Aber selbst da kann von Entspannung manchmal keine Rede sein.
Warum stehen wir ständig unter Druck? Es wäre jetzt ein Leichtes zu sagen, weil es eben so ist in einer Zeit die von uns, im Beruf und Privat, nur das Beste, das Unmöglichste verlangt. Irrtum meine Lieben, den Druck machen wir uns selber: Gegenseitig.
Nur wenige sind mittlerweile resistent dagegen, aus Gründen die einerseits durch gesundheitliche Notwendigkeiten hervorgerufen wurden, und/oder weil sie es gründlich satt haben an diesem „Leistungsspiel“ teilzunehmen.
Als erstes möchte ich unterscheiden zwischen 1. dem Druck den andere auf uns ausüben und 2. dem Druck den wir uns selber unterziehen.
1. In der Regel ist es so, dass diejenigen, die ihre Mitmenschen, Mitarbeiter, ihr Familienmitglieder, ihre Haustiere, sogar ihre Pflanzen unter Druck setzen, selbst unter Druck stehen, ohne zu wissen, dass sie es tun, und vor allem ohne zu wissen „warum“ sie es tun. Es müssen nicht immer menschliche „Hochleistungsmaschinen“ sein, die in sich und in anderen ständig Druck erzeugen, das können auch Menschen sein, die „wenig“ oder „nichts“ zu tun haben.
Das Hirngespinst, der Mensch leiste nur dann etwas, wenn er mit der „Peitsche“ angetrieben wird, ist noch in vielen Köpfen vorhanden. Die Peitsche ist vielleicht ein sehr plakativer Begriff und wird mit Sklaven assoziiert, aber genau betrachtet leben wir immer noch in einer Sklavenhaltergesellschaft, nur die Rollenmodelle haben sich aufgeweicht. Jetzt sind alle Sklaven und alle gleichzeitig deren Halter. Wir würden das allerdings nie so definieren, denn die Sklaverei wurde offiziell ja abgeschafft.
Nur: die Mentalität ist geblieben.
Was haben wir eigentlich davon, wenn wir uns ständig selbst und gegenseitig unter Druck setzen, dies und jenes „sofort“, oder zumindest „so schnell wie möglich“ zu tun? Außer körperliche Abwehrreaktionen und renitentes Verhalten erreichen wir damit gar nichts. Ja, vielleicht dass der Bub die Schularbeiten macht, der Mann den Müll endlich wegträgt, die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter endlich das macht, wozu sie/er abgestellt ist…usw. Aber würden wir alle unsere „Aufgaben“ nicht besser und leichter erfüllen, wenn wir miteinander verständnisvoller und liebevoller umgehen würden?
Es gibt mehrere Gründe, außer der Leistungsethik, warum wir uns gegenseitig ständig unter Druck setzen unter anderem weil wir „uns nicht lassen können wie wir sind“ und meinen uns immer einmischen zu müssen wie der/die einzelne /seine/ihre Arbeit verrichtet. Mir ist aufgefallen, dass die Druckausüber/innen in der Regel zur Kategorie der „Besserwisser“ zählen. Sie errichten, aufgrund der Annahme über alles Bescheid zu wissen, überall wo sie aktiv sind – und das meinen sie ja immer zu sein – ihre Zwingherrschaften. Da geht es dann nicht mehr um Sympathie, um Wohlbefinden, um Spaß am Tun, sondern um Vorstellungsgebundenheit und Funktionieren müssen. Die Zwingherrschaft ist leider auch kein mittelalterliches, verjährtes Delikt diverser Herrscher die sich gottgleich fühlten und die Hybris kultivierten, sondern ist Ausdruck charakterschwacher Individuen, die ihre eigene Unfähigkeit dem Leben gelassen entgegenzutreten in anderen bekämpfen. Sie bestrafen ihre eigene Anspannung, ihre Wut, ihren Groll, Zorn und vor allem ihre Angst, in dem sie andere knechten und zwingen das in ihren Augen „Richtige“ zu tun. Das geht natürlich nie gut. Ergebnis ist mindestens ein Magengeschwür und Streit rund um die Uhr.
Zwingen kommt vom Zwang und nicht umsonst ist der Ausdruck „Zwängler“ seit Jahren sehr populär in unserer Kultur. Diese sogenannten Zwängler/Zwänglerinnen sind, und das ist jetzt bitte nicht als Mißachtung zu verstehen, zwar höchst wahrscheinlich traumatisierte Kinder, aber sie sind eine Geißel.
Ich schreibe hier zwar klug darüber, aber wie man/frau der Zwingherrschaft entgegentreten kann – außer durch Flucht – weiß ich leider auch nicht.
Aber nicht alle die andere unter Druck setzen sind Zwängler. Manche machen das gezielt, weil sie nichts anderes kennen und manche tun es sogar mit Absicht, weil es ihnen Spaß macht. Sie sind zu den Sadisten zu zählen. Beide zählen nicht zu den gereiften Persönlichkeiten.
2. Sich selbst unter Druck zu setzen ist auch kein Kennzeichen von Reife. Druck bedeutet immer Angst und wer ständig in Angst lebt, sollte dagegen was unternehmen. Angst hat viele Gesichter und ich möchte sie hier auch nicht ins Lächerliche ziehen, denn auch ich werde immer wieder von ihr überfallen. Angst ist ein Alarmzeichen, aber sie kann auch da sein, wo es keinen Alarm gibt. „Unser ganzer Planet ist angstverseucht“ sagte kürzlich eine Bekannte. Das heißt unseren persönlichen Ängsten werden durch die Angstmacher-Branchen (Versicherung, Banken, Medien, Politik…) noch Kübelweise fiktive Ängste hinzugeschüttet. Täglich infiltrieren uns die Angstprofiteure mit „Informationen“ über potentielle Gefahren, die in der Regel nie oder selten eintreten, und treten sie doch ein wie zum Beispiel Krankheit und Tod, dann haben wir mittlerweile das Gefühl, wir hätten das alles verhindern können, hätten wir nur rechtzeitig „vorgesorgt“. Also rennen wir wie die Eichhörnchen von Baum zu Baum auf der Suche nach Nüssen, um sie für den Winter zu vergraben und die Füchse sehen uns fröhlich dabei zu, denn ein großer Teil davon fällt mittlerweile nur für sie, und ein kleinerer Teil für die Vorsorge ab.
Das macht uns wiederum krank, denn all die Vorsorge kostet viel Geld und das muß verdient werden. Also schuften wir, fürchten um unseren Arbeitsplatz, fürchten uns dass es der Wirtschaft schlecht geht, vor einen Börsenkrach, Unfall, Hagel, Überschwemmung, etc. mit einem Wort, dass nichts Unvorhergesehenes passiert…aber haben wir nicht ohnehin vorgesorgt? Vor allem für die Angst-Profiteure, denn unsere Angst vor…füllt ihre Säckel.
Irgendwann hat jeder Mensch mal einen unvorhersehbaren Schaden, und sei es nur eine zerbrochene Blumenvase. Nur: Wir sollten uns langsam gegen jene Schäden vorsorgen die in unserer Seele entstehen, durch das permanente Ausgesetztsein in einer Welt von Druck- und Angstmachern. Diese Welt ist äußerst ungemütlich geworden, denn „wir“ sorgen dafür, dass keine Minute vergeht, ohne Angst und Druck.
Wie die Lemminge laufen wir in unser Verderben, im Rucksack 100 Versicherungspolizzen, die uns wiederum zwingen das Hamsterrad am Laufen zu halten. Es läuft aber nur, weil wir uns im Rad selbst angekettet haben um all unsere Bedürfnisse (!) und die Bedürfnisse derjenigen zu befriedigen die uns unter Druck setzen. Wir merken es nur nicht mehr. Wir glauben tatsächlich dies und jenes haben zu müssen, dies und jenes tun zu müssen und am Ende stehen wir unter der Kuratel all jener die uns all das Verordnen, weil sie selber glauben, dass es ohne permanenten Angst-Druck nicht geht.
© Irmgard Klammer 7.1.2008 |